In der Zeit der gewaltsamen Gegenreformation (nach 1621) wurde Zittau zum Zufluchtsort für tschechische und deutsche Protestanten aus den Gebieten der Böhmischen Krone, die sich Gewissensfreiheit für sich und für ihre Nachkommen erhalten wollten. Der sächsische Kurfürst gab am 18. Januar 1623 eine Verfügung heraus, nach der die tschechischen Exulanten, die um Asyl ersuchten, in seinem Land aufgenommen wurden. Bereits im April 1623 war Zittau von Exulanten überfüllt. Die Sechstausend-Einwohner-Stadt musste mit Tausenden von eingetroffenen Exulanten klarkommen, was nicht ohne Probleme verlief. Nach der Vergesetzlichung des römischen Katholizismus als einziges erlaubtes christliches Bekenntnis in Böhmen und Mähren (1627,1628) kamen weitere und weitere Exulantenwellen. Im Jahre 1630 richteten die tschechischen Exulanten im Demuth-Haus (heute Neustadt Nr. 10) einen eigenen Gebetssaal ein, in dem sie über sechzig Jahre lang zusammenkamen. Später befand sich der tschechische Betsaal im Heffterbau (heute ein Teil des Zittauer Museums).
Viele der Exulanten aus den tschechischen Ländern und ihre Nachkommen trugen zur kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt bei (Christian Weise, Andreas Hammerschmiedt, Christian Pescheck, Christian Adolph Pescheck, Karl Gottlob Moráwek und weitere). Für die verfolgten Protestanten in den böhmischen Ländern war Zittau bis zur Herausgabe des Toleranzpatents (1781) ein Ort des geistigen Beistands. Die Prediger und Herausgeber tschechischer Bücher (Václav Trojan, Daniel Stránský, Kašpar Motěšický, Václav Kleych und weitere) brachten ihnen von dortaus – oft unter Einsatz ihres Lebens – Stärkung und Hoffnung.
Der Verein Exulant und die Stadt Zittau haben mit Unterstützung des Kleinprojekte-Fonds der Euroregion Nisa beschlossen, an diese historischen Verbindungen zwischen Tschechen und Deutschen auf dem Gebiet des Ringens um Freiheit und menschliche Würde mit einer Gedenktafel an dem Haus zu erinnern, in dem sich der erste Gebetssaal der tschechischen Exulanten in Zittau befand. Das neue Denkmal, dessen Autor der Kunstmaler Jan Měšťan ist, wurde am Sonnabend den 8.3.2014 von Synodalsenior Joel Ruml und dem Oberbürgermeister von Zittau Arnd Voigt enthüllt. Es war schön, dass bei dieser Gelegenheit eine zahlreiche Gemeinschaft von Mitgliedern und Nichtmitgliedern des Vereins Exulant zusammenkam – von tschechischer Seite waren es Böhmische Brüder, Baptisten, Mitglieder des Herrnhuter Seniorats, von deutscher Seite Zittauer Lutheraner und Vertreter der Brüdergemeine in Herrnhut und von beiden Seiten auch Leute, die in keine der oben genannten Schubladen passen. Es erklangen Vorträge der Historikerin Edit Štěříková und des Leiters des Zittauer Museums Marius Winzeler über die bewegte Geschichte der Exulanten in Zittau und über ihren Beitrag für die Stadt und die Lausitz, es sangen Chöre aus der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder und der Brüderunität der Baptisten in Liberec und es blies ein Posaunenchor der Zittauer Lutheraner.
Karl Gottlob Moráwek, ein Nachkomme der tschechischen Exulanten, seufzte im 19. Jahrhundert, dass die tschechische Sprache aus Zittau nahezu verschwunden sei und bald eine Zeit komme, in der auch die Zittauer nichts über die Exulanten wissen werden. Im 21. Jahrundert können wir sagen, dass dies bisher nicht so ist.
Jan Bistranin