Am 9. Mai 2014 machte sich die Prager Seminargruppe auf den Weg nach Erlangen, um zusammen mit dem dortigen Seminar bis zum 11. Mai Adornos „Ästhetische Theorie“ zu lesen.
Diese bilateralen Zusammenkünfte haben bereits eine recht lange Tradition: Sie datieren sich auf den Studienaufenthalt von Dr. Jan Kranát 1999/2000 in Erlangen zurück. Seit dieser Zeit werden regelmäßig gemeinsame Seminare organisiert.
Zu Beginn hielt Prof. Wolfgang Schoberth einen Vortrag zur „Einführung in das Denken Theodor W. Adornos“. Am zweiten Tag lasen wir die ersten Seiten aus der „Ästhetischen Theorie“. Bereits der erste Satz weist auf die existenzielle Verunsicherung der Kunst hin, die zwar autonom ist und bleiben will und doch in kritischem Verhältnis zur Welt stehen muss. Einerseits hat sie sich von der Religion emanzipiert; andererseits kann sie angesichts der Verfasstheit der Welt diese nicht schlechtweg affirmieren. Auch mit den Mechanismen der Kulturindustrie und den uneingelösten Heilsversprechungen der Religion muss sie sich auseinandersetzen.
Während unseres Aufenthaltes in Erlangen wurde das Kaiser-Wilhelm-Restaurant zu einem Stammlokal. Zumindest haben wir es häufiger besucht als andere Restaurants in Erlangen. Nachdem Bismarck die deutschen Kleinstaaten zuerst zum Norddeutschen Bund und nach dem Krieg gegen Frankreich zum Deutschen Reich vereinigt hatte, wurde der preußische König in Versailles 1871 zum Deutschen Kaiser Wilhelm I gekrönt. Insofern erscheint dieses Restaurant für einen Deutschlandbesuch ziemlich passend, wobei die im Namen mitschwingende Kaisertreue doch etwas anachronistisch anmutet.
Am dritten Tag besuchten wir den Gottesdienst in der Neustädter Kirche. Anschließend besichtigten wir den Jüdischen Friedhof und erhielten eine amüsant-skurrile Führung durch die Keller im Erlanger Berg. Für die Rückfahrt stärkten wir uns dann im darüberliegenden Biergarten „Entla's-Keller“.
Vom 23. - 25. Mai fand der zweite Teil des philosophischen Seminars in Prag statt.
Am frühen Freitag Abend konnten wir unsere – vom Regen überraschten und etwas durchnässten – Erlanger Kollegen an der evangelisch-theologischen Fakultät in Prag begrüßen. Sobald alle mit einer kleinen Stärkung in Form von Kaffee und Tee versehen waren, wurde das gemeinsame Wochenende mit einem Vortrag von Dozent Jan Kránat eingeläutet.
Die Gemüter wurden geweckt durch einen kleinen Reiseführer zum selber basteln. Nach viel Geraschel war nun jeder ausgestattet mit einem „Taschenbuch zur tschechischen Moderne für Adorno-Leser“. Es wurde zu dem eigentlichen Thema, der „Ästhetischen Theorie“ von Theodor W. Adorno übergeleitet. Doch ziemlich bald machten uns unsere Mägen einen Strich durch die Rechnung und wir gingen zum gemeinsamen Abendessen über und vertieften die Gespräche in einem Prager Restaurant.
Am nächsten Tag war die Fakultät wie ausgestorben, nur im 2. Stock hörte man die Kaffeemaschine blubbern und die Gedanken knirschen.
Es kehrte sehr schnell wieder eine gewisse Vertrautheit unter den Teilnehmern ein. Es war als hätte man sich erst gestern in Erlangen voneinander verabschiedet. Die gemeinsame Lektüre, aber mehr noch die Diskussionen waren sehr anregend und bereichernd. Und in kritischer Adorno-Manier stand am Ende auch die Erkenntnis, dass „wenn wir uns bei Technomusik oder einfacher Unterhaltungsmusik unwohl fühlen“, dies auch „nur antrainiert“ ist.
Dieser Austausch, der alle 2 Jahre stattfindet, ist wirklich ein Gewinn für alle Teilnehmer. Wie können wir als Theologen Adorno und andere Philosophen lesen und wie verstehen Kollegen, die nicht deutsche Muttersprachler sind, diese Texte?
Am Sonntag besuchten wir noch gemeinsam einen Gottesdienst der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Prag und krönten das gemeinsame Wochenende mit einer Stärkung im schönen Prager „Café Imperial“.
Mit ausreichend neuen Denkanstößen und neuen Kontakten im Gepäck verließen uns die Erlanger also wieder. Der Kontakt bleibt bestehen. So entstanden auch schon Pläne für das nächste Treffen und das ist auch gut so.
von Sophia Höff und Sophie Poland