Am 3. und 4. November veranstaltete die Evangelisch-Theologische Fakultät eine Konferenz, die sich mit den verschiedenen Wegen, durch die Protestanten während des Kalten Krieges versuchten ihre Position im politischen Kontext der Teilung Europas einzunehmen, beschäftigte. Die Veranstaltung fand im Rahmen eines Forschungsprogramms des Seminars für Kirchengeschichte der Fakultät zur Rolle und Bedeutung des tschechischen Theologen Josef Lukl Hromádka in der tschechischen protestantischen Gemeinde statt.
Ein Team von drei Kirchenhistorikern untersuchte innerhalb der letzten vier Jahre verschiedene Dokumente aus Kirche, Staat und privaten Archiven. Hromádkas Korrespondenz umfasst eine große Auswahl von Kontakten mit Theologen zu Hause und andernorts, mit Führungskräften der Ökumene, verschiedenen Organisationen, politischen Führungskräften und Mitgliedern der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB). Sein „Einflussbereich“ übersteigt Hromádkas eigenes tschechisch protestantisches Milieu signifikant.
Während der Eröffnungssitzung der Konferenz sprachen fünf Theologen und Arbeiter der Ökumene (Laurens Hogebrink, Petr Pokorný, Konrad Raiser, Werner-Christoph Schmauch und Jakub Trojan) über ihre persönliche Erfahrung der Beziehungen zwischen tschechischen Protestanten und ökumenischen Organisationen während des Kalten Krieges. Eine der Schlussfolgerungen der Debatte war, dass Organisationen wie der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) nicht wirklich versuchten die kritischen Stimmen Dissidenten innerhalb der EKBB anzuhören und zu unterstützen.
Die ersten Vorträge der Konferenz beschäftigten sich mit dem lokalen und internationalen Kontext von Hromadkas Arbeit. Juha Merilainen aus Finnland analysierte die Strategie des ÖRK zur Rekonstruktion der europäischen Kirchen nach dem Zweiten Weltkrieg. Ondřej Matějka aus Prag beschrieb, wie Hromádka sich schon vorm Zweiten Weltkrieg durch seine persönliche Herangehensweise im Umgang mit seinen Studenten von einer weniger wichtigen Figur des tschechischen protestantischen Milieus zu einem dominanten Theologen entwickelte.
Drei weitere Vorträge beschäftigen sich explizit mit Hromádka. Pavel Filipi aus Prag behandelte Hromádkas Ablehnung einer bipolaren Welt und seine Betonung eines dritten weltpolitischen Machtzentrums geführt von China. Jiří Piškula (ebenfalls aus Prag) berichtete von Bezugnahmen auf Hromádka in den Staatsarchiven. Seine Entdeckung eines Systems von finanziellen Extrazahlungen durch das Kommunistische Regime an Kirchenrepräsentativen einschließlich Hromádka führte zu einer lebhaften Debatte über die Glaubhaftigkeit der Motive des tschechischen Theologen. In seinem Vortrag folgerte Peter Morée (Prag), dass Hromádka den Prager Frühling von 1968 als eine Verstärkung des Sozialismus, nicht als Korrektur des politischen Systems, verstand.
Zwei Vorträge diskutierten die Situation beider Teile Deutschlands in den 1960ern. Cornelia von Ruthendorf-Przewoski aus Leipzig diskutierte die Reaktionen der Evangelischen Kirche in Ostdeutschland zur neuen Konstitution von 1968, welche eine neue Struktur der Evangelischen Kirche in Ostdeutschland, unabhängig von der Kirche in Westdeutschland einführte. Klaus Fitschen (Leipzig) betrachtete die Reaktionen der Evangelischen Kirche in Westdeutschland zur Ostpolitik Willy Brandts. Andras Koranyo aus Budapest analysierte das Jahr 1968 im Kontext der Ungarischen Kirche.
Die letzten Vorträge waren eine Mischung aus persönlichen Erfahrungen der zweiten Hälfte des kalten Krieges und kritischer Reflexionen derselben. Werner-Christoph Schmauch (Columbia, USA) sprach über seine Arbeit in der Friedensbewegung in den United States in den 1970ern und 1980ern. Im Vortrag von Laurend Hogebring (Amsterdam) kamen verschiedene Themen der Konferenz zusammen. Er diskutierte das Dilemma der ökumenischen Bewegung im Verhältnis zu Frieden und Menschenrechten während des Kalten Krieges und die heute genauso dringende Notwendigkeit der Kirchen sich auf eine Stellungnahme zur Nuklearen Abrüstung zu verständigen.
Der Konferenz folgte das alljährliche Treffen der „Freunde der Evangelisch-Theologischen Fakultät“, welches ein ähnliches Thema im aktuellen Kontext behandelte: Theologie im politischen Kontext. Reflexionen über vergangene Erfahrungen mit theologisch motivierter politischer Beteiligung (Jakub Trojan) wurden kombiniert mit den Gesichtspunkten junger Theologen aus der Slowakei, den Niederlanden und der Tschechischen Republik zu der Frage, ob und wie heute politische Mitarbeit möglich ist.
Im Großen und Ganzen stellte die Konferenz unter Beweis, dass das Problem der Beteiligung von Kirche und Theologie im politischen Kontext noch immer Bewandtnis hat und nicht nur ein Phänomen der Vergangenheit ist. Schlüsselprobleme, wie Gerechtigkeit und Menschenrechte, sind im Kontext von aktueller Ökonomie und politischer Krise immer noch absolut relevant.
Peter Morée