Menschenmassen, Gedränge, ein Gebäude mit der erleuchteten Zahl 89, Kerzen, Ruhe, Frieden, Lächeln, Gelassenheit ...
Es sind vierundzwanzig Jahre seit dem 9. Oktober 1989 vergangen, an dem im deutschen Leipzig die friedliche Revolution stattfand. Damals haben über 70 000 Demonstranten teilgenommen und gaben den entscheidenden Impuls zum Sturz der Berliner Mauer. Zwanzig Jahre danach feierte Leipzig erstmals dieses Ereignis. Damals nahmen zweimal mehr Menschen daran teil als bei der Samtenen Revolution. Eine solch erfolgreiche Veranstaltung ließ eine Tradition entstehen, das sogenannte Lichtfest.
Der diesjährige fünfte Jahrgang war auf den Prager Frühling und die Samtene Revolution in der Tschechoslowakei ausgerichtet. Zu diesem bedeutenden Ereignis war auch eine Delegation aus unserer Kirche eingeladen. Das Festprogramm wurde – genau wie vor 24 Jahren – von einem Gottesdienst in der Nikolaikirche eingeleitet. Unter Vermittlung des Generalsekretärs des Gustav-Adolf-Werkes Enno Haaks, der uns die gesamte Zeit betreute, wurden wir von der Nikolaigemeinde zur Mitwirkung an diesem Gottesdienst eingeladen. Über 1400 Zuhörer folgten in einer überfüllten Kirche gespannt und aufmerksam der Predigt von Synodalsenior Joel Ruml zum Bibeltext über den Hunger nach Gottes Wort (Amos 8,11). Innerhalb dieses Gottesdienst berichteten wir zusammen mit einer Studentin aus der Slowakei kurz über die Erfahrungen unserer Familien und unserer Kirchen mit dem vergangenen Regime.
Nach Ende des Gottesdienstes sprach der Schriftsteller und Dissident Milan Uhde in der Kirche über seine Erfahrungen mit dem vergangenen Regime und die aktuelle Situation in Tschechien.
Das meisterwartetste Ereignis, zu dem sich auf dem Platz über dreißgtausend Menschen versammelt hatten, war des Lichtfest. Höhepunkt dieser Feier war die Theatervorstellung über ein junges Ärztepaar, das von den Hinterhältigkeiten des Kommunismus und später auch des Lebens im vereinten Deutschland ergriffen wurde.
Zum Abschluss der gesamten Veranstaltung wurde von den Anwesenden mit Kerzen eine riesige 89 entzündet. Der Platz war angefüllt, wohin das Auge blickte. Um auch unsere Kerze entzünden zu können, mussten wird uns erst durch die Menge arbeiten. Sich in freudigem Ringen um die Schaffung eines gemeinsamen Werkes des Gedenkens zu drängen, war ein sehr starkes Erlebnis.
Alžběta Matějovská