Gespräch mit Jan Dus über das neue Diakoniezentrum, Hochwasser, Auslandsprojekte und Entwicklungshilfe
Jan Dus arbeitet in der Diakonie der EKBB seit September diesen Jahres. Zu seinen Aufgaben zählen zum einen die Auslandsbeziehungen, zum anderen die Leitung des neugegründeten Zentrums für humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe. Jan Dus – zuvor zunächst Pfarrer der EKBB-Gemeinde in Polička, dann Angestellter der Kirchenkanzlei – war unser Gesprächsgast.
Honza, was ist eigentlich das neue Zentrum für humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe?
Innerhalb der Familie der Zentren unserer Diakonie sind wir so ein jüngstes und kleinstes Geschwisterchen. Wir sind am ersten Januar 2011 entstanden, haben die Arbeit aber erst im Herbst diesen Jahres aufgenommen. Nun ja, und bis jetzt haben wir nicht einmal zwei ganze Stellen. Die Arbeit teile ich mir mit den Kolleginnen Jana Škubalová und Olga Mutlová.
Auf welche Gebiete der humanitären Hilfe will sich das Zentrum ausrichten?
Unsere Arbeit hat zwei Zweige: humanitäre Hilfe im Inland und Entwicklungshilfe/ humanitäre Hilfe im Ausland. Es ist ausgezeichnet, dass wir auf beiden Ebenen an Vorheriges anknüpfen können. In der Tschechischen Republik hat die Diakonie bereits mehrmals beim Hochwasser geholfen (zuletzt im vergangenen Jahr in Nordböhmen) und für diese Arbeit viel Lob geerntet. Und so macht Olga Mutlová – wenn nun auch formal für uns – in der inländischen humanitären Hilfe das Gleiche wie zuvor.
An die bisherige Arbeit der Diakonie knüpfen wir auch auf dem Gebiet der Auslandsarbeit an. Wir entfalten die Hilfe für Ätiopien weiter, wo die Diakonie ein Projekt der dortigen lutherischen Kirche unterstützt, das sich um Waisen kümmert, deren Eltern an AIDS gestorben sind. Für dieses Projekt haben die Angestellten der Diakonie unter einander bereits zwei Spendensammlungen organisiert. Ein weiteres Land, bei dem wir an etwas anknüpfen können, ist Rumänien. Für die dortige Diakonie organisierte unsere Diakonie 2008 und 2009 Fortbildungskurse auf dem Gebiet höheres und mittleres Management.
Will die Diakonie die ausländische humanitäre Hilfe „im Großen“ entfalten und sich so auch medial unter Organisationen wie beispielsweise Menschen in Not oder Adra einreihen?
Zu Anfang werden wir uns eher auf die Entwicklunghilfe als auf humanitäre Aktionen konzentrieren. Bislang verfügen wir nicht über genügend Leute und andere Voraussetzungen, um schnell eine mediale Kampagne starten und blitzschnell in betroffenen Gebieten eingreifen zu können. Die Entwicklungshilfe ist stabiler, zielgerichteter und mindestens ebenso sinnvoll. Unser Ziel ist es, uns auf einige Länder zu konzentrieren, in denen wir langfristig wirken wollen.
Ganz sicher jedoch wollen wir damit beginnen uns medial durchzusetzen. Wir wollen, dass man von uns weiß. Auch das jedoch ist ein weiter Weg. Zuerst fangen wir bei den Mitgliedern und Sympathisanten der EKBB und anderen protestantischen Kirchen an. Es ist schade, wenn Protestanten, die Hilfe im Ausland unterstützen wollen, dies über andere Organisationen tun müssen. Ich meine, wir erweisen Protestanten und anderen einen Dienst, indem wir mehrere vertrauenswürdige und durchschaubare Entwicklungsprojekte ins Leben rufen, zu denen sie – wenn sie dies wollen – einen Beitrag leisten können.
In der Diakonie gehört auch die Koordination ausländischer Beziehungen zu Deinen Aufgaben. Mit welchen Ländern und welchen Organisationen hält die Diakonie Kontakt?
Unsere Diakonie ist Mitglied des europäischen Diakonieverbandes Eurodiaconia. Hierher gehören die Diakonien der meisten europäischen Länder. Im Rahmen dieses Netzes funktioniert die Zusammenarbeit der Diakonien der Visegrad-Länder gut. Weitere wichtige Partner sind selbstverständlich die deutschen diakonischen Einrichtungen, desweiteren dann die Diakonie in Rumänien, Serbien, Italien... Ich persönlich habe eine Schwäche für die Vereinigten Staaten und so freut es mich, dass der Verwaltungsrat entschieden hat, Fortbildungsreisen von Leitern in die USA zu veranstalten. Jeder Leiter eines Diakoniezentums wird in den nächsten zwei Jahren die Möglichkeit erhalten, zu sehen, wie ähnliche Organisationen auf der anderen Seite des Ozeans arbeiten.
In der Vergangenheit haben die Partner aus erfahrenen Ländern unserer Diakonie bei der Entwicklung nach der politischen Wende geholfen – finanziell, aber auch durch die Vermittlung und Übertragung von Know-How. Lernen wir immer noch vom Westen oder helfen wir schon selbst, das weiterzugeben, was sich in unserer Arbeit bewährt hat?
Lernen und andere lehren – das ist kein Entweder-Oder. Grundstein des europäischen Gedankens der Partnerschaft ist, dass wir gegenseitig voneinander lernen. Die Zukunft sehe ich in der Zusammenarbeit von Gleichberechtigten, die sich gegenseitig ergänzen und an gemeinsamen Projekten arbeiten.
Wesentlich sind die direkten Beziehungen der Zentren zu ihren ausländischen Partnern. Meine Rolle sehe ich darin, dass ich sie unterstützen, inspirieren und ihnen zuarbeiten werde. Die Pflege der Kontakte zu den Partnern liegt jedoch in erster Linie bei den einzelnen Zentren. Ich halte es für sehr wichtig, dass jedes Zentrum in seinem Management Leute hat, die Fremdsprachen sprechen. Auslandskontakte oder -beziehungen der Einrichtungen untereinander haben weit größere Bedeutung als die zwischen den Ämtern.
Meine Aufgabe ist die Koordination von Auslandskontakten und so nehme ich meine Rolle tatsächlich wahr. Es wäre ein Fehler, wenn ich alle Auslandskontakte an mich ziehen würde. Ich will im Gegenteil den Zentren helfen, ausländische Kontakte zu pflegen, sie zu entfalten und Nutzen aus ihnen zu ziehen.
Es fragte Pavel Hanych
Anm.: das Gespräch erscheint auch in der Zeitschrift Český bratr 1/2012