Die 110. Jubiläumsfeier der alte deutsche Kirche in Herlíkovice

30. ledna 2014

Die schöne, im Jahr 1904 fertiggebaute Jugendstilkirche in Herlikovice (Riesengebirge) ist Zeitzeugin der bewegten Geschichte des 20. Jahrhunderts. Die deutschen Bewohner, die die Kirche gebaut hatten, wurden von tschechischen Protestanten abgewechselt.

Die Kirche im Jahre 2013 (foto: J. Kirschner)

Wir laden zu dem Projekt der Bürgervereinigung Přátelé Herlíkovic/Freunde von Hackelsdorf in Zusammenarbeit mit Evangelischer Gemeinde Vrchlabí und Horský domov/ evangelischen Bergheim Strážné-Herlíkovice ein: bei der Jubiläumsfeier und der anschließenden tschechisch-deutschen Begegnungswoche (28.6.-5.7.) sind alle Liebhaber von Hackelsdorf/Herlíkovice und Riesengebirge, vor allem die ehemaligen deutschen Bewohner und ihre Nachkommen herzlich willkommen. (Information in Deutsch  legen wir bei und bedanken uns für Weiterleiten an mögliche Interessierte).

Die sonntägliche Kirchweihfeier wollen wir mit einer kleinen „Wallfahrt“, einem Konzert und einer Laientheateraufführung verbinden. Überaus schön würden wir finden, wenn da auch eine sudetendeutsche oder tschechische Riesengebirgs-Tracht zu sehen wäre....

Im Seminarteil des Projektes möchten wir nicht nur zu traurigen Kapiteln der deutsch-tschechischen Geschichte zurückkehren, sondern wir überlegen, wie man dieses Thema mehr aktuell und spannend auffassen könnte. Wir würden beispielsweise gern Kenner der Jugendstilarchitektur und der heute etwas idealisierten Zeit um 1900, in der die Kirche in Herlikovice entstand und nach welcher die Schrecken der Weltkriege des 20. Jahrhunderts folgten, einladen. Die Kinder können ein Kirchenfester, ein Plakat von Alfons Mucha oder Gustav Klimt (dessen Vater übrigens auch aus dem böhmischen Grenzraum stammte) ausmalen. Bei schönem Wetter können ein kleines Pleinair in der Natur auch Erwachsene genießen. Der Aufenthalt in den Bergen sollte nicht zu anstrengend sein, wir möchten ihn dennoch gemeinsam als Aktivurlaub erleben.

Das Fensterputzen im Jahre 1986 (foto: P. Kielar)

Wir sind froh, dass das gemeinsam mit dem Heimatkreis Hohenelbe Riesengebirge e.V. an den Tschechisch-Deutschen Zukunftsfonds eingereichte Projekt der Jugendstilkirchenfenster-Reparatur erfolgreich war: wir haben Fördergelder in Höhe von 60.000 Kronen zugesagt bekommen. Es ist großartig, was der Zukunftsfonds alles unterstützt Die Fensterreparatur durch eine sachkundige Firma soll ca 100.000 Kronen kosten.

Die Revitalisierung der Fenster wollen wir noch vor der Juni-Feier durchführen, einen Teil von einfacheren Arbeiten dann in Eigenleistung im Rahmen des anschließenden Workcamps. Die freiwilligen Arbeitseinsätze haben in Herlíkovice seit der Nachkriegszeit eine Tradition, Freude an gemeinsamer Arbeit bringt die Menschen zusammen. Dieses Jahr soll bei dem Workcamp jedoch max. 3 Stunden täglich gearbeitet werden, so dass Zeit genug für anderes Programm bleibt: Wanderungen, Vorträge, Debatten. Die Arbeit ist allerdings kein Pflichtteil der tschechisch-deutschen Woche, man kann ebensogut als Urlauber dabei sein.

Tschechisch-deutsche Beziehungen im Riesengebirge

In der schönen Berglokalität Hackelsdorf werden uns historische Zusammenhänge bewusst: wir werden mit der Geschichte der Sudetendeutschen konfrontiert. In der ersten Tschechoslowakischen Republik (1918–1938) stellten die Deutschen mit über drei Millionen Menschen deutlich mehr als ein Viertel der Gesamtbevölkerung dar. Überwiegend deutschsprachig besiedelt waren die Grenzgebiete, die sog. „Sudetengebiete“ – darunter auch das höchste böhmische Gebirge, das Riesengebirge.

Deutschsprachige Bewohner kamen ins Riesengebirge später als ins Gebirgsvorland und besiedelten vorwiegend das Mittel- und Ost-Riesengebirge. Das westliche Gebirge war mehr tschechisch. Die ersten Bewohner im 16. Jh. waren Bergleute und Bergbauern. Von der bergmännischen Vergangenheit zeugen die Hammer im Wappen von Hackelsdorf und dem nahen Pommerndorf (Strážné). Seit dem Ende des 19. Jh. entwickelte sich der Tourismus.

Nach dem ersten Weltkrieg und Gründung der Tschechoslowakei entstand im Zuge der Kirchenbewegung „Los von Rom“ unter anderem auch in Hackelsdorf eine evangelische Minderheit von 15%. Eine führende Rolle unter den hiesigen Protestanten hatte der Bürgermeister Franz Erben, Inhaber des Gasthauses Zur Sonne. Das Gasthaus stand an der Stelle des heutigen Bergheimes/Horský domov (Erholungseinrichtung der Evangelischen Kirche der böhmischen Brüder. Die frischgebackenen Evangelischen entschieden sich für den Bau einer eigenen Kirche. Das Projekt haben die sächsischen Architekten Schilling und Gräbner erarbeitet. Die Kirche wurde am 2. Juni 1904 feierlich eingeweiht. Ohne Hilfe des Gustav-Adolf-Werks wäre es jedoch nicht möglich gewesen. Die deutsche evangelisch-lutherische Kirche in der Tschechoslowakei ging in den Jahren 1945-1946 mit der Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung unter. Mit den Schuldigen mussten die Unschuldigen das Land verlassen. Es wurde kaum unterschieden. Die neugekommene tschechische Bevölkerung war bei weitem nicht imstande, zahlenmäßig die ursprüngliche deutsche zu ersetzen. Hackelsdorf wurde deshalb im Jahre 1951 als selbstständige Gemeinde aufgehoben und von Pommerndorf/Strážné eingemeindet. Die Weberei verschwand, die Landwirtschaft wurde reduziert. Pommerndorf mit Hackelsdorf wurde zum Fremdenverkehrsort und Wintersportzentrum.

Das Erholungsheim Herlíkovice/Hackelsdorf – seine Bedeutung für die Kirche in der Zeit des sozialistischen Regimes

Nach der Aussiedlung der Deutschen wurde die Bergkirche von der Evangelischen Kirche der böhmischen Brüder übernommen, die auch die nahen Häuser von den Volksverwaltern des konfiszierten deutschen Eigentums aufkaufte.: Ein Komplex von insgesamt vier Häusern diente seitdem als ein kirchliches Erholungszentrum unter dem Namen Horský domov (Bergheim). Mit dem umliegenden Grundstück und Kuhstall funktionierte es zugleich als landwirtschaftliches Unternehmen und oblag der Pflicht, den Boden zu bebauen und einen Teil der Produkte an den Staat abzuführen. Arbeitseinsätze der Urlauber waren zu der Zeit ganz geläufig, die Abende wurden dann für geistige Programme und Vorträge genutzt (was sonst vom Regime verfolgt wurde). Nach der Wende wurde das abgebrannte Hauptgebäude neu aufgebaut – als Berghotel. Heutzutage wird das Erholungsheim sowohl für kommerzionelle als auch für kirchliche Zwecke genutzt.

(Nähere Informationen unter: www.horskydomov.cz. Mehr Informationen zum Jubiläum der Kirche und Geschichte des Riesengebirges unter: www.pratele-herlikovic.evangnet.cz )

 Jan Kirschner, Hana Jüptnerová (für Bürgervereinigung SEM Freunde von Hackelsdorf/Herlíkovice)